John Cale & Guests play Velvet Underground & Nico, Paris 2016

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In meinem Alter bleibt man ja nur noch lang auf, um Blogs zu schreiben oder wenn mal was wirklich interessantes im Fernsehen kommt. Oder zu kommen scheint, denn vorher weiß man das leider nicht immer.

Nach der Ankündigung auf Arte auf den Mitschnitt eines 90 minütigen Konzerts in Paris, bei dem John Cale mit Gästen das erste Velvet Underground-Album spielt, habe ich heute mal beides gemacht, also ferngesehen und jetzt den Blog geschrieben.

Ja, aber das Konzert hätte ich mir besser erspart, John Cale hatte sicher beste Absichten, das 50 Jahren alte Kultalbum „Velvet Underground & Nico“ – das mit der Banane – plus einige weitere VU-Klassiker in konzertanter Form mit Rockband und einem Streichquartett vor einem zahlungskräftigen Publikum aufzuführen, aber bei der guten Absicht ist es leider geblieben. Den eigenwilligen Auftakt mit „I’m waiting for my man“, das es mit leicht industrialmäßigen Keyboardklängen garniert und selbst singt, ließ mich ja noch hoffen, aber dann betreten Carl Barat und Pete Doherty die Bühne und es wird „White Light, White Heat“ angekündigt. Das hätte doch eigentlich passen sollen, aber der Skandalrocker Doherty singt viel zu brav und er und Barat schrammeln dann eine Zeitlang auf ihren Gitarren daher, werden aber von Cales Keyboard und dem elektronisch wirkenden Schlagzeug weitestgehend übertönt, so dass sich das ganze insgesamt doch mehr wie eine armselige Persiflage anhört.

Das unspektakuläre, aber solide „All Tomorrow’s Parties“ mit Mark Lanegan als Sänger konnte den Gesamteindruck wenig beeinflussen, aber Cales vollkommen saftlose Interpretation von „Venus in Furs“ – ein Lied, das S/M-Sex thematisiert –  bei der ich mir vorstellte, wie er zu „Taste the Whip, now plead for me“ mit einer Pfauenfeder ausholt, ließ dann die Resthoffnung schwinden, dass sich das Aufbleiben gelohnt hat. Animal Collective konnten ihre Interpretationen von „There she goes“ und  wenigstens einigermaßen interssant gestalten, „Femme Fatal“ mit Lou Doillon hätte sogar richtig toll sein können, wenn Cale es nicht mit einem süßlichen Geigenarrangement zugekleistert hätte, aber Cales eigener Gesang, der von Carl Barat („European Son“, „Run, run, run“) und auch Mark Lanegans, dessen Stimme ich sehr mag, schaffen es einfach zu fast keiner Zeit, den Titeln thematisch gerecht zu werden und das Gitarrengeschrammel von Barat/Doherty klingt ewig gleich, soweit es durch den schunkeligen Keyboardkleister des Meisters überhaupt durchdringt.

Erschreckend ist aber wie das kritiklose Publikum diese Mimikry bisweilen frenetisch bejubelt. Einzig Saul Williams Interpretation von „Heroin“ hätte neben Lou Doillons „Femme fatale“ wirklich Applaus verdient gehabt, auch wenn seine Stimme natürlich nicht so abgefuckt klingt wie Lou Reed beim Original.

Richtig schlimm wird es aber zum Schluss, wenn sich alles auf der Bühne versammelt um „Sister Ray“ darzubieten, im Original ein 17-minütiges, zu Anfang nur etwas krachig wirkendes, mit zunehmender Dauer aber immer verstörenderes Werk, das bei dieser Aufführung allerdings zwar wenigstens zu schnell zum Schunkeln ist, aber wenn der Saal nicht bestuhlt gewesen wäre, hätte das willfährige Publikum sicher eifrig winkend eine Polonäse Blankinese durch den Saal getanzt. Das war unglaublich schlecht.

Aber so ist es, auch große Namen, und John Cale ist ein solcher, können nicht immer auf hohem Niveau arbeiten, und ich habe wenigstens einen Blogbeitrag zu Ende geschrieben, der sicher noch bedeutungsloser ist, als dieses Konzert.

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