1994 reloaded

Standard

Vor einiger Zeit habe ich diese CD von Joshua Kadison mal in das Sonderangebote-Regal gestellt. Also die eine mit dem Hit. Die meisten Menschen werden gar nicht mehr wissen, wer Kadison war und ich wüsste zu gerne, wie viele Leute, wenn sie „Jessie“ heutzutage im Radio hören, glauben das wäre eine weniger bekannte Nummer von Elton John. So war das 1994 schon, als „Jessie“ im Radio rauf und runter lief und Kadison als der neue Elton gefeiert wurde.

Aber obwohl zumindest in meinen Ohren die Nachfolgesingle „Picture Postcards from L. A.“ sogar ähnlich gut war, kann mensch Kadison heute trotz einiger weiterer Albumveröffentlichungen als One-Hit Wonder bezeichnen, dessen Album einfach nur noch ein Ladenhüter ist, weil fast keiner mehr weiß, wer Joshua Kadison ist. Und darum steht er jetzt im Sonderangeboteregal für 4 Euro. Und auch da nimmt niemand Notiz von ihm, außer mir. Und ich summe dann immer „Jessie paints a Picture about how it used to be…“ und denke an Markus Sauer. Sauer war 1994 ein Student aus einer Clique in meiner Übungsgruppe, mit der ich mich angefreundet hatte. Er stammte aus gutem Haus, konnte Klavier spielen, viel besser als ich es je hätte schaffen können und hatte den Song damals nullkommanichts drauf, wofür ich ihn bewunderte und was er sobald ein Klavier und ein paar Mädchen im Raum waren, dann auch sofort zur Schau stellte.

Und dann denke ich wieder daran. wie wir uns darüber unterhalten haben, dass ich ja einen Plattenladen eröffnet hatte und er das ja auch saucool fand, aber was ich denn tun würde, wenn ich mit meinem Studium fertig wäre, damals hatte ich das ja noche ernsthaft vor. Und auf mein Antwort, das ich eigentlich glücklich wäre, wenn das mit dem Plattenladen zum Leben reichen würde, dass ich mir gar nichts tolleres vorstellen könne, erzählte er mir von seinem Vater. der hatte ihm nämlich beigebracht, dass wer glaubt, alles erreicht zu haben und damit zufrieden ist, seine Ziele zu niedrig angesetzt habe!

Vielleicht war es der Alkohol, der ohne Zweifel im Spiel war, denn wir haben viel Tequila getrunken zu der Zeit, vielleicht war es die Überzeugung mit der der damals etwa 24jährige Markus diesen Standpunkt sich schon selbst zu eigen gemacht zu haben schien, vielleicht war es der Respekt, den ich zu der Zeit noch vor allen Menschen, die wie sein Vater viel Geld verdienten, hatte, ich habe ihm auf jeden Fall nicht widersprochen, sondern mich statt dessen selbst gefragt, ob ich in ein paar Jahren vielleicht wirklich an den Punkt kommen würde, an dem ich auf einmal denke „War das Alles? Habe ich meine Potentiale vergeudet?“

Heute, 28 Jahre später, denke ich, Gott sei Dank konnte Markus mir den Bildern, die er von der Zukunft zeichnete, mir keine „Träume verkaufen“, denn es hätte wohl nur schlechter laufen können, auch wenn ich nur selten das Gefühl gehabt habe, dass ich wirklich am „Ziel“ angekommen wäre, was mich biosweilen ganz schön nervt, weil ich eigentlich gern dort ankommen würde, wo ich alles nur noch ein wenig verwalten muss. Aber irgendwas ist halt verdammt nochmal immer! Andererseits hatte ich trotz vieler Unebenheiten nie das Gefühl, komplett falsch abgebogen zu sein und damit kann mensch auch einfach mal zufrieden sein.

Aber immer wenn ich die CD von Josua Kadison sehe, frage ich mich auch, was wohl aus Markus Sauer geworden ist, denn unsere Wege trennten sich etwas später und ich war einfach nie wirklich der Typ, der Kontakte hielt, von der Clique damals stehen nur noch die Namen mit Geburtsdatum in meinem Uraltkalender. Ob Sauer seinem Vater denn zufrieden stellen konnte? Ich als Plattenladenbesitzer konnte meinen Vater ja nie Respekt abringen. Selbst wenn mir was dran gelegen hätte!

Es ist vielleicht Zeit, die Kadison-CD mal irgendwo nach hinten zu stellen, als Blickfang im Sonderangebotsregal hat sie sich auch nicht wirklich bewährt und 1994 ist einfach zu lange her, um immer wieder Gedanken daran zu verschwenden!

Hinterlasse einen Kommentar